Geldsparen bei Inklusion – eine kritische Auseinandersetzung mit Boris Palmer

Würzburg, 09. Dezember 2024 – Der Verband Sonderpädagogik gibt bekannt, dass ein Offener Brief an Herrn Boris Palmer gesendet wurde. Dieser Brief bezieht sich auf die kürzlich im Morgenmagazin von ARD und ZDF getätigten Aussagen des Oberbürgermeisters von Tübingen. Herr Boris Palmer äußerte, dass angesichts klammer Kassen die Inklusion an Schulen nicht gut funktioniere und Sonderschulen möglicherweise die bessere Lösung seien.

Pressemitteilung des Verbands Sonderpädagogik e.V. (vds) als Offener Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, Boris Palmer, zu Äußerungen in der Sendung im ARD und ZDF Morgenmagazin am 04. Dezember 2024

Lieber Boris Palmer,

Inklusion ist ein Menschenrecht. Die Bundesregierung hat im Namen aller Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) vor nunmehr 15 Jahren unterzeichnet. Mit ihrem In-Kraft-Treten ist die UN-BRK geltendes Recht in Deutschland, welches von allen staatlichen Stellen umgesetzt werden muss – genauso wie wir das Grundgesetz und das Bürgerliche Gesetzbuch zu achten haben.

Die UN-BRK ist dabei kein spezielles Übereinkommen für Rechte von einzelnen Menschen mit Behinderungen, sondern sie konkretisiert die Menschenrechtsübereinkommen – die Sie und wir selbstverständlich achten – auf die Lebenslagen von Menschen mit Teilhabeeinschränkungen.

Unser Staatswesen hat in allen seinen Bereichen auf den Ebenen der Kommunen, der Länder und des Bundes die uneingeschränkte und uneinschränkbare Pflicht, diese Rechte zu schützen und zu gewährleisten. Dazu gehören die Prinzipien der Inklusion, Chancengerechtigkeit und Selbstbestimmung und natürlich auch der Partizipation und Zugänglichkeit zu allen gesellschaftlichen Angeboten, insbesondere zu Bildung, so wie Sie und wir das für uns und unsere Kinder selbstverständlich in Anspruch nehmen.

Lieber Boris Palmer, wir hoffen, dass wir Sie in Ihren Äußerungen falsch verstanden haben und dass Sie niemals fordern würden, Inklusion nicht mehr als einklagbaren Rechtsanspruch ohne jede Rücksicht auf Kosten und Qualität durchzusetzen, denn damit würden Sie ja zum Rechtsbruch aufrufen. Ihre Annahme, dass Sonderschulen viel kostengünstiger seien als inklusive Angebote, ist an keiner Stelle belegt und zu kurz gedacht: Es geht doch nicht nur um gemeinsames oder getrenntes Lernen in Schulen, sondern um die lebensbegleitende Entwicklung von gesamtgesellschaftlich bedeutsamen und tragenden Kompetenzen bei allen Schülerinnen und Schülern, die letztendlich nicht nur aus humanistischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen unsere Gesellschaft vorwärtsbringen. Wir zitieren an dieser Stelle das Motto des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel

Demokratie braucht Inklusion!

Und in diesem gesellschaftlichen Bemühen sind Sie, lieber Boris Palmer und wir, der Verband Sonderpädagogik mit Sicherheit einig. Deshalb möchten wir sehr gern mit Ihnen ins Gespräch kommen und freuen uns auf Ihre Antwort und einen Termin für einen Austausch – gern online, um ökonomisch mit Zeitressourcen umzugehen. Unser vds-Landesverband Baden-Württemberg wird sich mit Freude daran beteiligen.

Mit adventlichen Grüßen